William Lottig
(geb. 1. Februar 1867 in
Hamburg; gest. 12. September 1953 in Hamburg)
Nach
Abschluss der Volksschule besuchte Lottig ab 1881 die Präparandenanstalt, dann
das Hamburger Lehrerseminar für Volksschullehrer. 1887 legte er seine erste,
1890 seine zweite Lehrerprüfung ab. In den Jahren bis zum Ersten Weltkrieg war
er Lehrer an der Seminarschule Binderstraße 24. Schon früh engagierte sich
Lottig in der Gesellschaft der Freunde des Vaterländischen Schul- und
Erziehungswesens und wurde zu einem der führenden Befürworter einer Reform
von Schule und Unterricht. Lottig war Mitglied des wichtigen Pädagogischen
Ausschusses der Gesellschaft der Freunde. 1908 formulierte er sein inzwischen
legendäres pädagogisches Leitziel für die Neuausrichtung der Schule mit den
Worten: »Alle Kräfte des Kindes werden gelöst, gepflegt und entwickelt«.
Nach der Novemberrevolution von 1918 gelang es Lottig, seine
Mitstreiter für die Einrichtung von Versuchsschulen zu gewinnen. Er selbst wurde
Schulleiter und verehrte pädagogische Leitgestalt (»Vater Lottig«) der
Versuchsschule Berliner Tor, eines der wohl radikalsten Schulversuche im
Deutschen Reich nach 1918. Die Schule lehnte alle Zwangsmaßnahmen ab, plädierte
für Selbstbestimmung und Freiheit der Schülerinnen und Schüler. Am Ende der
1920er Jahre versagten – nach interner Kritik an den Versuchsschulen und
inhaltlicher Bevormundung seitens der Schulbehörde
– selbst die durchweg der Arbeiterschaft entstammenden Eltern dem Kurs der
Berliner-Tor-Schule ihre Zustimmung. Die Schule musste 1930 mangels Schüler
schließen.
Im Oktober 1918 trat Lottig der SPD bei, der er bereits vor
1914 durch seine zahlreichen Lesungen vor der Arbeiterschaft eng verbunden
gewesen war. Nach 1919 wurde er Mitglied der »Sozialistischen Liste« im neu
eingerichteten Lehrerrat. In dessen Vorgängerinstitution, der Schulsynode, hatte
er ebenfalls die Interessen der Volksschullehrerschaft vertreten. Zudem war er
Mitglied im Weltbund für die Erneuerung der Erziehung und nahm 1927 an
der Weltkonferenz in Locarno teil.
Eine große Bedeutung hatte Lottig bereits vor dem Ersten
Weltkrieg als Rezitator und Vermittler von Literatur vor breiten Volkskreisen
erlangt. Bei Lese- und Kulturabenden von Gewerkschaften und Sozialdemokratie
trat er auf, las aus den Klassikern, rezitierte Peter Rosegger, Fritz Reuter und
norddeutsche Dichter. In der Hamburger Arbeiterschaft machte er sich gemeinsam
mit seinen Mitstreitern, den Lehrern Adolf Schulze und Hermann Langmaack, einen
guten Namen; er selbst schätzte an seinen Zuhörern den ernsthaften Willen, durch
die Aneignung von Literatur und Kunst ein Stück gesellschaftlicher Emanzipation
zu erringen.
Literatur
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Lehberger, Reiner: William Lottig. In: Hamburgische Biografie.
Bd. 2.
Hamburg : Christians, 2003, S. 263 f.
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Staats, Katja: William Lottig - Hamburger
Lebensgemeinschaftsschulen. München : GRIN Verlag GmbH, 2004. - Universität
Osnabrück, Hausarbeit; Wintersemester 2003/2004, Seminar: Bildung zur
Eigenständigkeit - Bildungstheoretische Grundideen der Reformpädagogik. - ISBN
978-3-638-87077-1.
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Stand: November 2012
Klaus Gottsleben
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