Familienforschung
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Rhythmische Erziehung
Musikalisch-Rhythmischen Bildungsanstalt
Jaques-Dalcroze
in Hellerau bei Dresden

Rhythmische Erziehung, auch Rhythmische Gymnastik, motorisch-musikalische Elementarlehre, wurde von Emile Jaques-Dalcroze (1905) begründet und weitergeführt von Gertrud Grunow, Carl Orff (1931) sowie von dem Reformpädagogen Alexander Sutherland Neill.
    Die methodischen Grundlagen der Rhythmische Erziehung entwickelte Emile Jaques-Dalcroze in den Jahre 1898 bis 1919: »Um vollmusikalisch zu sein, muß ein Kind zugleich eine Vielheit von Kräften und Eigenschaften besitzen. Diese sind einerseits: Gehör, Stimme und Tonbewußtsein, und andererseits: der gesamte Körper (resonierendes Knochengerüste, Muskeln, Nerven) und das Bewußtsein des körperlichen Rhythmus«.
   
Institutionalisiert wurde die Rhythmische Erziehung in Deutschland durch die Gründung der von Heinrich Tessenow entworfenenen und im Oktober 1912 eröffneten Musikalisch-Rhythmischen Bildungsanstalt Jaques-Dalcroze in Hellerau bei Dresden: »Die Bildungsanstalt Jaques-Dalcroze hat den Zweck, musikalische Menschen zu erziehen. Den musikalischen Unterricht will sie nach der Seite der Charakterbildung vertiefen«.
   
Gründungsdirektor war Wolf Dohrn im Zusammenwirken mit Nina Gorter. Zweigstellen gab es in Dresden (1911), Berlin (1911), Frankfurt (1912), Sankt Petersburg (1912) und Moskau (1912).
    Um den Missbrauch der Methode zu vermeiden, wurden die Lehrkräfte diplomiert als »
Lehrer der Rhythmischen Gymnastik nach Jaques-Dalcroze« (§ 14 der Schulordnung). Die Prüfung bestand aus:

bullet Eine Lehrstunde Rhythmische Gymnastik an Kinder ohne musikalische Vorbildung
bullet Eine Lehrstunde Rhythmische Gymnastik an Fortgeschrittene
bullet Hör- und Leseübungen  (Solfège)
bullet Rhythmische und plastische Verkörperung der Musik.

Die Schule meldete 1915 Konkurs an. Die Ziele setzte der Verein für rhythmisch musikalische Erziehung Hellerau fort.
    1921 gründete Alexander Sutherland Neill zusammen mit Christiane Bear und Lilian Neustätter im Rahmen der dortigen Neuen deutschen Schule eine Internationale Schule. In diesem Konzept wurde der musikalische Unterricht
»nach der Seite der Charakterbildung« vertieft.

Alexander Sutherland Neill (1883 -1973)

Porträt aus: Frankfurter Rundschau 2004,
Nr. 208 (7. September), S. 28.

Hellerau bei Dresden

Hellerau wurde auf Initiative des Besitzers der Deutschen Werkstätten, Karl Schmidt, im Jahr 1908 als erste deutsche Gartenstadt gegründet und erhielt als »Au am Heller« seinen Namen. Ziel der um 1900 in England entstandenen Gartenstadtbewegung war es, neue Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu propagieren, die sich auch auf künstlerischem und architektonischem Gebiet ausdrücken sollten.

Das Festspielhaus entstand 1911/12 am Nordwestrand der Gartenstadt Hellerau nach Entwürfen von Heinrich Tessenow. Der Mehrzweckbau sollte für den Unterricht der Tanzschule von Emilie Jaques-Dalcroze sowie für regelmäßige Festspiele dienen und so kultureller Mittelpunkt der Gartenstadt sein. Das Haus bildet einen streng symmetrischen Baukomplex mit Zentralbau und seitlichen Flügeln, die als Wohnhäuser für Lehrer und Studierende gedacht waren. Im Inneren befand sich ein Festsaal, der wegen seiner variablen Bühne und der raffinierten Lichtanlage und Akustik für Aufsehen sorgte. Nach dem Konzept der 1910 von Wolf Dohrn und Emile Jaques-Dalcroze gegründeten Musikalisch-Rhythmischen Bildungsanstalt wurde hier vorrangig moderner Ausdruckstanz gelehrt, wobei das Publikum während der Vorstellungen mit in das Bühnengeschehen einbezogen wurde. In den Anfangsjahren war das Festspielhaus Anziehungspunkt für kulturell interessierte Persönlichkeiten aus ganz Europa. So besuchten Henry van de Velde, Emil Nolde, Oskar Kokoschka, Rainer Maria Rilke, Stefan Zweig und Franz Kafka die Vorstellungen.

Stand: Februar 2008
Klaus Gottsleben
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